
TISAX®: Der praxisnahe Leitfaden für die Automobilindustrie
Ist die Informationssicherheit in Ihrem Unternehmen bereit für die hohen Anforderungen der Automobilindustrie? Diese Frage ist längst keine rein rhetorische mehr. Angesichts digital vernetzter Fahrzeuge und immer komplexerer Lieferketten, die laut ENISA-Berichten zunehmend zum Ziel von Cyberangriffen werden, ist ein lückenloser Schutz von Daten und Prototypen zur Existenzfrage geworden. Ein schwaches Glied kann die gesamte Kette gefährden.
Genau hier setzt TISAX® (Trusted Information Security Assessment Exchange) als branchenweiter Standard an. Es ist kein „Nice-to-have“, sondern die Eintrittskarte für eine vertrauensvolle Zusammenarbeit mit OEMs und Zulieferern.
In diesem Leitfaden teile ich meine Praxiserfahrung mit Ihnen. Ich zeige Ihnen nicht nur, was TISAX® ist, sondern führe Sie Schritt für Schritt durch den Prozess, beleuchte die entscheidenden Vorteile und kläre die wichtigen Unterschiede zur ISO 27001 auf. Mein Ziel ist es, Ihnen eine klare und umsetzbare Orientierung für Ihre erfolgreiche TISAX®-Teilnahme zu geben.
Inhaltsverzeichnis
Was ist TISAX®? Eine einfache Erklärung für Zulieferer
Wenn mich Zulieferer fragen, was TISAX® eigentlich ist, erkläre ich es oft so: Stellen Sie sich vor, jeder Ihrer Kunden aus der Automobilbranche würde Sie einzeln und nach eigenen Kriterien auf Informationssicherheit prüfen. Der Aufwand wäre enorm und die Ergebnisse kaum vergleichbar. Genau dieses Problem löst TISAX®.
Im Kern ist TISAX® ein einheitlicher Prüf- und Austauschmechanismus, der speziell für die deutsche und internationale Automobilindustrie geschaffen wurde. Er stellt sicher, dass alle Partner in der Lieferkette ein vergleichbares und nachweisbares Niveau an Informationssicherheit haben. Grundlage dafür ist ein funktionierendes Informationssicherheits-Managementsystem (ISMS), das viele Unternehmen bereits von der Norm ISO 27001 kennen. TISAX® nutzt jedoch einen spezifischen, auf die Branche zugeschnittenen Anforderungskatalog. Der größte Vorteil für Sie: Sie durchlaufen ein Assessment, dessen Ergebnis Sie dann mit mehreren Partnern teilen können. Das spart Zeit, Kosten und schafft vor allem eines: Vertrauen.
Wer steckt dahinter? VDA und ENX als treibende Kräfte
Um zu verstehen, wie TISAX® funktioniert, ist es wichtig, die beiden zentralen Akteure zu kennen:
- Der Verband der Automobilindustrie (VDA): Er ist der Initiator und quasi der „Architekt“ des Standards. Der VDA hat den zugrundeliegenden Prüfkatalog, den VDA ISA (Information Security Assessment), entwickelt. Dieser Katalog definiert, was geprüft wird.
- Die ENX Association: Sie agiert als neutrale Governance-Organisation und Betreiberin der TISAX®-Plattform. Die ENX stellt die Unabhängigkeit und Qualität des gesamten Prozesses sicher. Sie akkreditiert die Prüfdienstleister, die die Assessments durchführen, und verwaltet die Austauschplattform, auf der die Ergebnisse sicher geteilt werden.
Aus meiner Sicht ist es entscheidend, die Funktionsweise dieser Plattform zu verstehen. Hier unterscheidet TISAX® zwischen zwei Rollen:
- Als aktiver Teilnehmer lassen Sie Ihr Unternehmen prüfen und stellen das Ergebnis auf der Plattform bereit.
- Als passiver Teilnehmer (typischerweise Ihr Kunde oder ein OEM) fordern Sie die Prüfergebnisse an, um die Informationssicherheit Ihres Partners zu verifizieren.
Warum TISAX® für Ihr Unternehmen unverzichtbar ist: Die Vorteile im Überblick
Jetzt, da wir das „Was“ geklärt haben, stellt sich die entscheidende Frage: Warum ist das für Ihr Unternehmen wirklich unverzichtbar? Als Berater werde ich oft gefragt, ob die Einführung von TISAX® den Aufwand wirklich wert ist. Meine Antwort ist immer ein klares Ja – vorausgesetzt, Sie betrachten es nicht als lästige Pflicht, sondern als strategische Investition in Ihre Zukunftsfähigkeit.
Die entscheidenden Argumente für eine TISAX®-Teilnahme fassen sich aus meiner Sicht auf folgende Punkte zusammen:
- Breite Anerkennung und Vertrauen: Ein erfolgreiches TISAX®-Assessment wird von nahezu allen Partnern in der deutschen und europäischen Automobilindustrie anerkannt. Sie schaffen damit ein gemeinsames Sicherheitsniveau und beweisen, dass Sie die hohen Anforderungen der Branche ernst nehmen.
- Vermeidung von Mehrfach-Audits: Anstatt für jeden einzelnen Kunden separate Sicherheitsprüfungen durchlaufen zu müssen, genügt in der Regel ein einziges, über die ENX-Plattform austauschbares Ergebnis. Das spart Ihnen und Ihren Kunden wertvolle Zeit und Ressourcen.
- Klarer Wettbewerbsvorteil: Immer häufiger ist ein TISAX®-Label eine Grundvoraussetzung, um überhaupt für Aufträge in Betracht gezogen zu werden. Sie sichern sich damit nicht nur bestehende Geschäftsbeziehungen, sondern qualifizieren sich auch für neue Projekte.
- Konkreter Schutz für kritische Daten: TISAX® geht in Bereichen wie dem Prototypenschutz deutlich über allgemeine Standards wie die ISO 27001 hinaus. So sichern Sie die wertvollsten Güter Ihrer Kunden, seien es physische Bauteile oder geheime Entwicklungsdaten, mit nachweislich wirksamen Maßnahmen.
Natürlich möchte ich auch transparent sein: Der Weg zum TISAX®-Label ist mit initialem Aufwand verbunden. Die Kosten für die Prüfung, die Registrierungspflicht bei der ENX sowie der interne Ressourceneinsatz sind Faktoren, die Sie einplanen müssen. Doch aus meiner Erfahrung überwiegen die langfristigen strategischen Vorteile diese anfänglichen Hürden bei Weitem.
Der Weg zum TISAX®-Label: In 5 Schritten zur erfolgreichen Teilnahme
Die Vorteile überzeugen, doch wie genau sieht der Weg zum TISAX®-Label aus? Der TISAX®-Prozess ist zwar standardisiert, doch aus meiner Erfahrung weiß ich, dass gerade am Anfang entscheidende Weichen gestellt werden. Um Ihnen den TISAX®-Ablauf zu ebnen, habe ich ihn in fünf klare Schritte unterteilt.
- Registrierung und Scope-Definition: Sie registrieren Ihr Unternehmen auf der ENX-Plattform. Der kritischste Punkt hierbei ist die Festlegung des Geltungsbereichs (Scope). Hier sehe ich den teuersten Fehler: Unternehmen definieren den Scope prozessorientiert, wie sie es von der ISO 27001 gewohnt sind. TISAX® ist jedoch strikt standortbezogen. Ein falscher Scope führt unweigerlich zum Abbruch des Audits und wirft Ihr Projekt an den Anfang zurück.
- Self-Assessment durchführen: Auf Basis des VDA-ISA-Katalogs bewerten Sie den aktuellen Reifegrad Ihrer Informationssicherheit. Seien Sie hier ehrlich – diese Selbsteinschätzung ist die Grundlage für das spätere TISAX®-Audit.
- Prüfdienstleister auswählen: Sie wählen einen von der ENX akkreditierten Prüfdienstleister aus der Liste auf der Plattform aus. Holen Sie sich hier am besten mehrere Angebote ein.
- Assessment durchführen lassen: Der Prüfdienstleister verifiziert Ihre Angaben aus dem Self-Assessment. Je nach gefordertem Assessment-Level findet dies remote (AL2) oder auch zwingend vor Ort (AL3) statt.
- Ergebnisse austauschen: Nach erfolgreichem Assessment erhalten Sie Ihr TISAX®-Label. Nun können Sie entscheiden, mit welchen Partnern Sie Ihre Ergebnisse über die ENX-Plattform teilen.

Welches Level ist das richtige? Die Assessment-Level im Detail
Eine häufige Frage meiner Klienten ist: „Welches Level benötigen wir?“ Die Antwort darauf geben nicht Sie, sondern Ihre Kunden und die Art der Daten, die Sie verarbeiten. Der geforderte Schutzbedarf bestimmt das TISAX® Assessment-Level:
- Assessment-Level 1 (AL 1): Für Informationen mit normalem Schutzbedarf. Hier genügt das Self-Assessment. In der Praxis hat dieses Level kaum Bedeutung.
- Assessment-Level 2 (AL 2): Für vertrauliche Informationen mit hohem Schutzbedarf. Ihre Selbsteinschätzung wird durch einen Prüfdienstleister plausibilisiert, meist remote. Dies ist der häufigste Standard für Zulieferer.
- Assessment-Level 3 (AL 3): Für streng geheime Daten mit sehr hohem Schutzbedarf. Hier ist eine tiefgehende Vor-Ort-Prüfung durch den Auditor zwingend.
Die Entscheidung für AL 3 ist dabei selten eine Wahl, sondern meist eine direkte Konsequenz Ihres Auftrags. Erhalten Sie beispielsweise, wie einer meiner Mandanten, getarnte Erlkönige für Testfahrten, ist der Schutzbedarf „sehr hoch“ und ein AL3-Audit unumgänglich.
TISAX® vs. ISO 27001: Was sind die entscheidenden Unterschiede?
Eine der häufigsten Fragen, die mir in diesem Zusammenhang begegnet, dreht sich um die Abgrenzung zur bekannten ISO 27001: „Wir sind doch schon zertifiziert, warum brauchen wir jetzt auch noch TISAX®?“ Auch wenn eine bestehende Zertifizierung eine hervorragende Basis ist, handelt es sich um zwei grundlegend unterschiedliche Ansätze.
Beide basieren zwar auf einem Informationssicherheits-Managementsystem (ISMS), die entscheidenden Unterschiede sind für Ihren Erfolg in der Automobilindustrie jedoch kritisch:
- Geltungsbereich (Scope): Die Norm ISO 27001 ist ein universeller, branchenübergreifender Standard. TISAX® hingegen wurde vom VDA speziell für die Bedürfnisse und Risiken der Automobil-Lieferkette entwickelt.
- Prüfkatalog und -tiefe: Ein zentraler Unterschied, den ich immer wieder betone, ist die Bewertungsmethode. TISAX® nutzt den VDA-ISA-Katalog und bewertet nicht nur, ob eine Sicherheitsmaßnahme existiert, sondern vor allem, wie gut sie umgesetzt ist. Dies geschieht anhand von Reifegraden. Ein nach ISO 27001 etablierter Prozess reicht daher oft nicht aus, wenn er nicht standardisiert, messbar und aktiv verbessert wird.
- Ergebnis und Anerkennung: Am Ende einer ISO 27001-Prüfung erhalten Sie ein Label. TISAX® führt zu einem Prüflabel, dessen detaillierte Ergebnisse über die ENX-Plattform mit Partnern geteilt werden. Ziel ist nicht das Label an der Wand, sondern der standardisierte Vertrauensnachweis.
- Spezifische Zusatzmodule: TISAX® deckt Bereiche ab, die in der ISO 27001 so nicht vorkommen. Besonders hervorzuheben sind die Module für den Prototypenschutz (mit sehr konkreten Anforderungen) und für den Datenschutz (als Verknüpfung zur DSGVO).
Häufig gestellte Fragen (FAQ) zu TISAX®
Neben dem großen Vergleich mit der ISO 27001 gibt es eine Reihe weiterer Detailfragen, die in meiner Beratungspraxis immer wieder auftauchen. Hier habe ich die wichtigsten für Sie beantwortet.
Wer fordert eine TISAX®-Teilnahme? Die Forderung kommt in der Regel direkt aus der Lieferkette. Hauptsächlich sind es die Automobilhersteller (OEMs) wie VW, BMW oder Mercedes-Benz sowie große Tier-1-Zulieferer, die von ihren Partnern ein gültiges TISAX®-Label verlangen.
Muss jedes Unternehmen eine TISAX®-Zertifizierung haben? Nein, es gibt keine gesetzliche Pflicht. In der Praxis ist sie jedoch für die meisten Zulieferer und Dienstleister in der Automobilindustrie eine unverzichtbare Voraussetzung, um für Aufträge infrage zu kommen. Sie ist der De-facto-Standard der Branche.
Wie lange ist ein TISAX®-Ergebnis gültig? Ein TISAX®-Assessment-Ergebnis ist im Regelfall drei Jahre gültig. Danach ist ein erneutes Assessment erforderlich.
Was kostet die Teilnahme an TISAX®? Die Kosten hängen von mehreren Faktoren ab: Dem Geltungsbereich (Anzahl Standorte), dem geforderten Assessment-Level und dem gewählten Prüfdienstleister. Eine unklare Scope-Definition ist aus meiner Erfahrung einer der größten und vermeidbarsten Kostentreiber.
Wie hängt TISAX® mit der DSGVO zusammen? TISAX® ist ein hervorragendes Instrument, um die Umsetzung von geeigneten technischen und organisatorischen Maßnahmen (TOMs) gemäß Art. 32 DSGVO nachzuweisen. Gerade wenn Sie im Auftrag besondere Kategorien personenbezogener Daten verarbeiten (z. B. biometrische Daten aus Testfahrten), fordert der Kunde oft den Schutzbedarf „sehr hoch“ und damit ein AL3-Audit. TISAX® wird so zu einem zentralen Baustein Ihrer Datenschutz-Compliance.
Fazit & Ihr nächster Schritt
Wie Sie gesehen haben, ist TISAX® weit mehr als nur ein Label. Es ist der etablierte Standard für Informationssicherheit in der Automobilindustrie und damit oft die entscheidende Eintrittskarte zur Zusammenarbeit.
Der Weg zum TISAX®-Label ist klar strukturiert, doch ich weiß aus meiner Praxis, dass die größten Hürden im Detail liegen – eine falsch definierte Scope-Festlegung kann Ihr Projekt teuer und unnötig verzögern. Auch Unternehmen mit bestehender ISO 27001-Zertifizierung unterschätzen oft den Aufwand, der zur Erreichung der geforderten TISAX-Reifegrade notwendig ist.
Sie sehen, TISAX® ist ein komplexes, aber absolut beherrschbares Thema. Um Sie auf diesem Weg optimal zu begleiten und typische Fallstricke zu vermeiden, biete ich Ihnen unsere professionelle TISAX® Beratung an. Gemeinsam analysieren wir Ihre individuelle Ausgangslage und planen die nächsten konkreten Schritte für Ihr Unternehmen.
Kontaktieren Sie uns jetzt und lassen Sie uns gemeinsam herausfinden, wie wir Ihr Unternehmen auf Ihrem Weg zum TISAX®-Label unterstützen können!
„Seit 1996 berate ich verschiedenste Kunden – von KMU bis zu Großkonzernen. Meine Beratungsschwerpunkte liegen im Bereich der Informationssicherheit und der Managementsysteme. Neben den Projekteinsätzen in unterschiedlichen Branchen bin ich als Dozent für verschiedene Bildungsträger tätig. Meine Devise ist einfache, praktikable und wirtschaftliche Lösungen für unsere Kund*innen zu finden.“
